Wenn Musik vom Himmel erzählt
Gemeinsam führten sie das Publikum durch eine Stunde voller Musik und Mystik, Geschichte und Glaube, Klänge und Kontemplation.
Der Auftakt mit Cavazzonis „Salve Virgo“ verwandelte die Kirche augenblicklich in einen marianischen Klangraum. Dieses leuchtende Renaissance-Stück stellte die Weichen für den Abend: hin zur Jungfrau Maria, zur Lichtgestalt im Dämmerlicht des Wesemlins.
Mit grosser erzählerischer Kraft wurde das dramatische Geschehen der Marienerscheinung lebendig: Moritz von Mettenwyl, seine schwere Seele, der einsame Abendspaziergang – und dann das Licht, heller als die Sonne. Maria mit dem Kind im Arm, umgeben von himmlischem Glanz – ein Moment zwischen Himmel und Erde, der bis heute nachhallt.
Die Atmosphäre war von einer besonderen Magie durchdrungen. Während Freddie James die barocken Meisterwerke von Frescobaldi zum Leben erweckte – das beschwingte „Balletto e Ciacona“ und die ausdrucksstarke „Toccata Sesta“ –, strömte das warme Sonnenlicht des Abends durch die farbigen Kirchenfenster. Diese natürliche Illumination wirkte wie eine göttliche Fügung – passend zur Geschichte jener leuchtenden Erscheinung von 1531.
Im nächsten Abschnitt wurde die Entwicklung des Wesemlins von der Erscheinung hin zur Wallfahrtskirche beleuchtet – nicht nur durch Worte, sondern auch durch Musik: Gamberinis Menuett und Byrds „La Volta“ tanzten förmlich durch das Kirchenschiff – leichtfüssig, lebensfroh, fast wie ein Danklied nach einem himmlischen Besuch.
Ein besonderer Höhepunkt war die Reflexion über die kunsthistorischen Spuren der Marienerscheinung – von der Kapellbrücke bis zum Refektorium. Im Anschluss erklang Byrds „Fantasia sopra Salve Regina“ – der musikalische Höhepunkt des Abends. In der andächtigen Stille schien die Zeit stillzustehen. Freddie James liess jede Note mit solcher Intensität erklingen, dass man förmlich die Gegenwart des Heiligen spüren konnte. Manche schlossen die Augen, andere blickten ergriffen zu den lichtdurchfluteten Fenstern – alle waren in diesem Moment vereint in der Erfahrung von Transzendenz.
Der Abschluss des Konzerts war ganz Maria gewidmet – nicht nur der Maria der Erscheinung, sondern auch der Maria des Magnifikats, deren Lobgesang bis heute als revolutionär gilt. Die letzten Klänge von Johann Sebastian Bachs „Meine Seele erhebt den Herren“ und der „Fuga sopra il Magnificat“ waren wie ein Amen in Musik – kraftvoll, hoffnungsvoll, überirdisch schön.
Mit langem Applaus und gleichzeitig stiller Ergriffenheit dankte das Publikum für diesen aussergewöhnlichen Abend. Es war mehr als ein Konzert. Es war eine Wallfahrt in Tönen, ein Gebet in Musik, ein Fest des Glaubens – dort, wo sich Himmel und Erde berührten: auf dem Wesemlin.
Nach diesem tief bewegenden Konzerterlebnis, das Freddie James mit seinem feinfühligen und zutiefst berührenden Orgelspiel unvergesslich gemacht hat, bestand die wunderbare Gelegenheit, den Abend bei einem Aperitif im Refektorium der Klostergemeinschaft ausklingen zu lassen. Dort wurde der Musiker, nun endlich von der Orgelempore herabgestiegen, von zahlreichen bewundernden Gästen empfangen. Seine bescheidene Art und seine Leidenschaft für die Kirchenmusik beeindruckten ebenso wie sein Können. Bei angeregten Gesprächen über Musik, Geschichte und Spiritualität des Wesemlins hallte der Geist des Konzerts noch lange nach.
Ein Abend, der gezeigt hat: Auf dem Wesemlin sind Himmel und Erde noch immer verbunden – durch Musik, Glauben und strahlendes Sonnenlicht.
- bruder george