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Indienreise XII: Abschlussbericht – Ein Kaleidoskop der Gegensätze und Begegnungen

Fünfundzwanzig Schweizer Reisende kehrten mit verändertem Blick zurück – bereichert durch eine Erfahrung, die weit über das Touristische hinausging.

Was als Expedition begann, wurde zu einer tiefen Begegnung mit einem Land, das sich nie in einfache Schubladen zwängen lässt. „Indien hat mich gelehrt, Widersprüche auszuhalten – und sie sogar zu lieben“, fasste es eine Teilnehmerin treffend zusammen. Zwischen heiligen Kühen und Hightech-Zentren, zwischen schneeweissen Marmorfassaden und bunten Basaren spannte sich ein Bogen, der unsere Wahrnehmung nachhaltig erweiterte.

Die intensivste Erkenntnis war für viele der unaufhörliche Puls dieses Subkontinents – ein Rhythmus, der in Tempeln, auf Märkten und im Alltag der Menschen spürbar wurde. „Man kann Indien nicht beschreiben, man muss es atmen“, sagte einer der Teilnehmenden. Diese eindringliche Qualität führte dazu, dass wir nicht nur Beobachter, sondern Teil eines lebendigen Ganzen wurden. Besonders die Begegnung mit der spirituellen Vielfalt – Hinduismus, Islam, Christentum, Sikhismus, Buddhismus und Jainismus – zeigte uns, wie Religionen nicht nur nebeneinander, sondern miteinander existieren können.

„Die Herzlichkeit der Menschen hat mich demütig gemacht“, hielt eine Reisende in ihrem Feedback fest. Diese Gastfreundschaft erfuhren wir in engen Gassen, auf farbenfrohen Märkten und in Gesprächen, die oft unerwartet tief gingen. Gleichzeitig stellten uns die sozialen Gegensätze ungeschminkt vor die Realität – Armut und Reichtum stehen hier Seite an Seite, ohne sich zu verstecken.

Im Trubel der Märkte – mit Gewürzen, die wie Gold funkelten – und in Gassen, wo Lachen und Lasten gleichermassen Platz fanden, spiegelte sich eine Kultur, die Fremde nicht ausschloss, sondern einschloss. Eine Teilnehmerin bemerkte: „Sie hatten wenig – und doch gaben sie uns so viel: ein Lächeln, eine offene Tür, einen Moment echter Nähe.“

Kulinarisch wurde die Reise zu einer Entdeckungsfahrt: Von den buttrigen Currys des Nordens bis zu den kokosdurchtränkten Spezialitäten des Südens durchbrach jede Mahlzeit gängige Vorurteile. „Ich hätte nie gedacht, dass indische Küche so vielfältig und fein sein kann“, schwärmte ein Teilnehmer.

Ein Agronom unter den Reisenden brachte eine besondere Perspektive ein: „Wie ernährt ein Land mit über 1,4 Milliarden Menschen sich so nachhaltig?“ – eine Frage, die ihm beim Anblick üppiger Reisfelder nach dem Monsun kam.

Die Gegensätze zwischen luxuriösen Hotels und einfachen Strassenszenen liessen niemanden kalt. Für die einen war es wohltuend, nach anstrengenden Tagen in Komfort zu schlafen, für andere blieb die Sehnsucht, länger in den alten Gassen zu verweilen. „Ich spürte plötzlich, dass Nähe wichtiger ist als Bequemlichkeit“, schrieb eine Teilnehmerin.

Besuche bei sozialen Projekten hinterliessen bleibende Eindrücke. Solche Momente regten zum Nachdenken über Verantwortung beim Reisen an. „Das war kein Konsum, das war Begegnung auf Augenhöhe“, brachte jemand seine Erfahrung auf den Punkt.

Auch die Gruppe selbst wuchs zusammen – fast wie in einem kleinen sozialen Experiment. Menschen verschiedensten Alters und aus unterschiedlichen Lebenswelten fanden zu einer erstaunlichen Harmonie. „Wir wurden wie eine richtige Gemeinschaft“, schrieb ein Teilnehmer. Die Abende wurden zu Gesprächsrunden über das Gesehene, begleitet von Masala-Chai und philosophischen Fragen.

Am Ende der Reise blieb mehr zurück als Fotos und Souvenirs. Fast alle beschrieben ein Gefühl, dass Indien Spuren hinterlässt, die sich erst nach der Rückkehr entfalten. „Im Lärm lernte ich Stille zu hören“, sagte jemand. „Im scheinbaren Chaos habe ich Ordnung gespürt“, meinte eine andere Stimme.

Diese Ambivalenz machte Indien zu einem Spiegel, in dem die Gruppe am Ende auch sich selbst neu sah. Reisende wurden zu Suchenden, Beobachter zu Lernenden. „Ich nehme nicht Indien mit nach Hause – Indien nimmt etwas in mir mit“, brachte es eine Teilnehmerin poetisch zum Ausdruck.

Und eine letzte Stimme sagte: „Ich weiss nur eines – ich will zurück, weil die Fragen schöner sind als die Antworten.“ Wer 2027 bereit ist, die Komfortzone zu verlassen, wird belohnt: Indien gibt keine Antworten, sondern Fragen, die unter die Haut gehen. Viele von uns kehrten mit dem stillen Vorsatz zurück, wiederzukommen – nicht als Touristen, sondern als Suchende.

So bleibt als Fazit: Indien wirkte wie ein starker Gewürztee – sein Nachgeschmack entfaltet sich erst im Alltag daheim, langsam, intensiv und überraschend nachhaltig.

Om Shanti.

Der letzte Reisebericht aus Indien von bruder george