„Aufbrechen, um zu verwurzeln“
Wenn am 8. September das neue Kapuzinerjahr beginnt, beginnt auch ein inneres Wandern. Klöster öffnen sich, Brüder ziehen weiter, und das Leben tritt in Bewegung. Diese Bewegung ist kein Zufall, sondern Ausdruck unserer franziskanischen Berufung. Franziskus von Assisi hat uns gelehrt, dass christliches Leben ein ständiger „Transitus“ ist – ein Übergang, ein Pilgern ohne festes Ziel. Besitz, Ort und Status verlieren an Bedeutung, wenn das Herz offen bleibt. Wir sind Brüder auf dem Weg – Suchende mit Vertrauen im Gepäck.
In diesem Geist verabschieden wir Bruder Josef Haselbach, der nach sechs Jahren als Provinzial seine Aufgabe übergibt. Sein Weg führt ihn ins Kloster Mels – ein Ort der Stille nach Jahren des Dienstes. Auch Bruder Sleeva Chinnabathini verlässt Kloster Wesemlin nach drei intensiven Jahren und zieht weiter nach Kloster Wil. Beide haben Spuren hinterlassen – nicht in Mauern, sondern in Herzen. Ihre Hingabe war ein Geschenk, ihr Wirken ein Segen. Gleichzeitig begrüssen wir zwei neue Mitbrüder, die mit Hoffnung und Erfahrung zu uns kommen. Bruder Hans Portmann, ein erfahrener Seelsorger und Missionar, wechselt von Ingenbohl nach Luzern. Bruder Adrian Müller, bisher Guardian in Schwyz, kehrt als vertrautes Gesicht zurück ins Kloster Wesemlin.
Ihr Kommen ist mehr als ein Wechsel – es ist ein Zeichen der Bereitschaft, sich neu zu verschenken. Die franziskanische Spiritualität nennt diesen Rhythmus „Itineranz“. Es ist kein zielloses Umherwandern, sondern ein Ruf zur Verfügbarkeit. Wer sich auf den Weg macht, folgt nicht einer Pflicht, sondern einem inneren Vertrauen. Denn Verwurzelung geschieht nicht im Boden, sondern im Miteinander. Jeder Ortswechsel ist ein geistlicher Akt – ein Ausdruck von Hingabe an die Gemeinschaft. Wir leben nicht für uns allein, sondern füreinander. So wird Wesemlin zum Ort des Empfangens und des Neuanfangs.
Jesus selbst war ein Pilger – geboren unterwegs, lebend als Fremdling, sterbend auf dem Weg. Franziskus hat diese Wahrheit nicht nur verkündet, sondern gelebt. Auch wir wollen diesem Beispiel folgen – mit offenen Händen und bewegtem Herzen. Der Abschied ist nie leicht, doch er öffnet Raum für Neues. Die Brüder, die weiterziehen, nehmen unseren Dank mit. Diejenigen, die neu beginnen, empfangen unsere Hoffnung. Möge ihr Weg gesegnet sein – und möge ihr Dasein bei uns Wurzeln schlagen. Denn wer unterwegs bleibt, bleibt lebendig. Und wer sich verwurzelt, tut dies im Geist der Geschwisterlichkeit.
- bruder george