Als Franziskus seine Kleider ablegte
Evi Marti und Bruder Paul Mathis hatten sich etwas Besonderes überlegt: einen Besinnungsweg durch fünf Stationen, die alle mit Kleidern zu tun hatten. Denn Franziskus, so wurde schnell klar, hatte im Laufe seines Lebens ziemlich unterschiedliche Sachen angehabt. Das Taufkleid. Die prächtigen Gewänder des reichen Tuchhändlersohns. Die schwere Ritterrüstung. Und schliesslich jene schlichte Kutte, zusammengehalten von einem Strick.
Bevor die Besucherinnen und Besucher sich aber auf den Weg machten, hielt Bruder Paul inne und stellte eine einfache Frage in den Raum: «Schauen Sie mal, was tragen die Menschen um Sie herum? Und schauen Sie an sich herunter.» Plötzlich wurde es still. Jeder sass da in seinen Kleidern, die man heute Abend halt so angezogen hatte – praktisch, wetterfest, oder einfach, weil man sich darin wohlfühlt. Wann haben wir uns das letzte Mal Gedanken darüber gemacht?
Dann hiess es: dreissig Minuten Zeit. Die Stationen warteten in der Kirche, im inneren Chor, in der Sakristei und im Kreuzgang. Monika und Rita Bosshard begleiteten die Suchenden mit ihrer Musik – ein Klangteppich, der durch die alten Gewölbe trug und schliesslich auch wieder zurückrief.
An jeder Station eine Kleidergeschichte, eine Lebensphase des Franziskus. Und immer auch Impulsfragen, die einen nicht losliessen. Was bedeutet mir mein «Kleid der Taufe»? Wo habe ich mich in prächtige Gewänder gehüllt, um etwas darzustellen? Wann habe ich eine Rüstung getragen – vielleicht ohne es zu merken? Und vor allem: Was wäre mein Kleid, wenn ich es frei wählen könnte?
Die Station «Kleiderrückgabe» zog die Leute besonders in ihren Bann. Franziskus, der in aller Öffentlichkeit seine Kleider auszog und seinem Vater zurückgab – ein radikaler Bruch. Von nun an, so sagte er, habe er nur noch einen Vater: den im Himmel. Ein solcher Moment verändert alles. Und manche, die an dieser Station verweilten, spürten wohl: Auch wir haben solche Wendepunkte erlebt, auch wenn sie weniger spektakulär aussahen.
Nach der halben Stunde sammelte sich die Gemeinschaft wieder in der Kirche. Jetzt folgte der Kern der Transitusfeier: das Sterben des Heiligen Franziskus, wie es Thomas von Celano überliefert hat. Evi Marti und Bruder Paul erzählten im Wechsel – ohne Pathos, aber mit einer Intensität, die niemanden kalt liess.
Da liegt er also, der Franziskus, nackt auf der nackten Erde. Noch einmal richtet er sich auf: «Ich habe das gemacht, was meines gewesen ist.» Die Brüder schluchzen. Doch dann – ein letzter Akt franziskanischer Armut: Sein Guardian leiht ihm Habit, Hose und Käppchen. «Leihe», wohlgemerkt. Nicht einmal im Tod soll ihm etwas gehören. Und Franziskus? Jubelt vor Freude.
Noch lässt er sich Brot bringen, segnet und bricht es, teilt es mit den Brüdern. Noch lässt er aus dem Johannesevangelium vorlesen – jene Stelle vom letzten Abendmahl. Und dann singt er, so gut er noch kann, den Psalm 141. Er lädt sogar den Tod persönlich ein: «Sei willkommen, mein Bruder Tod!»
Als in diesem Moment in der Klosterkirche die Glocke erklang – so wie damals in Assisi, als Franziskus starb –, ging ein Raunen durch die Reihen. Geschichte wurde gegenwärtig.
Zum Abschluss wurde an der Osterkerze ein Licht entzündet und zum Aschenkreuz getragen. Ein schlichter Akt, der aber alles sagte: Vom Staub kommen wir, zum Licht gehen wir. Franziskus ist diesen Weg vorausgegangen – fröhlich, arm, frei.
Die Transitusfeier 2025 war kein gewöhnlicher Gottesdienst. Sie war ein Besinnungsweg, der unter die Haut ging. Wer an diesem Abend dabei war, nahm nicht nur Gedanken mit nach Hause, sondern vielleicht auch eine Frage: Was ist eigentlich mein Kleid? Und was würde ich zurückgeben, wenn der Moment käme?
Am Sonntag, 5. Oktober, feiern wir das Franziskusfest mit einem Gottesdienst und anschliessendem gemeinsamen Risotto-Essen im Klosterrefektorium. Herzlich willkommen!
- bruder george