Ein Bruder geht heim
Einer, der lieber in Santa Marta wohnte als im Apostolischen Palast. Einer, der nicht vergoldete Kreuze trug, sondern ein schlichtes aus Eisen – und damit mehr ausdrückte als mit tausend Predigten.
Er ist gekommen, um zuzuhören. „Eine arme Kirche für die Arme“ – das war kein Programm, das war sein Herzschlag. Er hat von einer Welt gesprochen, „die in Scherben am Boden liegt“ (Fratelli Tutti), von einer „Wirtschaft, die tötet“ (Evangelii Gaudium). In Laudato Si’ hat er als erster Papst die Erde unsere „Schwester“ genannt und die Umweltkrise zur Glaubensfrage gemacht – ganz wie sein Namenspatron, der Bruder Wolf und Schwester Sonne predigte.
Er kniete nieder und wusch Muslimen die Füsse. Er rief Menschen persönlich an, die ihm geschrieben hatten. Unvergesslich bleibt das Bild vom März 2020, als er allein im regennassen, menschenleeren Petersplatz stand und für eine von der Pandemie gezeichnete Welt betete – ein zutiefst menschlicher Moment in einer unmenschlichen Zeit.
Er war unbequem. Für die Mächtigen in Rom, für die Reichen der Welt, selbst für manche in der Kirche. Er nannte Missbrauch beim Namen, öffnete die Synoden für Stimmen vom Rand – Indigene, Frauen, die Vergessenen.
Doch er war kein Heiliger aus Perfektion. Traditionalisten warfen ihm zu viel Wandel vor, Progressive zu wenig. Er ist gestolpert, hat gerungen – aber nie aufgehört, im Gespräch zu bleiben. Immer. Sein Markenzeichen? Ein lächelndes "Bitte vergesst nicht, für mich zu beten."
Und jetzt, an Ostermontag, ist er heimgegangen. Ausgerechnet jetzt – in der Zeit der Auferstehung. Vielleicht kein Zufall. Vielleicht ein letztes Zeichen: Dass Neuanfänge schmerzhaft sind, dass die Kirche kein Museum ist, sondern ein Zelt, das weiterwandert.
Er formte eine Kirche, die "zuhört, bevor sie lehrt" – welch revolutionärer Ansatz!
Wir, die Kapuziner, die franziskanischen Familien und alle, die im franziskanischen Geist leben, werden auch den Namen Papst Franziskus vermissen. Der erste Jesuit auf dem Stuhl Petri, der jedoch ein franziskanisches Programm und einen franziskanischen Geist verkörpert hat. Jorge Mario Bergoglio, der erste Papst, der den Mut hatte, sich nach dem Heiligen von Assisi zu nennen, ist nun im ewigen Licht angekommen. Requiescat in pace, Papst Franziskus. Wir, die Mitbrüder im Kloster Wesemlin, schliessen ihn in unser Gebet ein. Nicht mit Trauer, sondern mit Dank. Für einen, der es wagte, Mensch zu sein. Der uns gezeigt hat, dass der Stellvertreter Christi auch Hornhaut an den Füssen haben darf.
Pace e bene, Bruder Franziskus. Du bist angekommen. Und wir? Hören weiterhin dein Flüstern: Geht an die Ränder. Fürchtet euch nicht. Und betet für mich – ich tue es für euch.
Möge sein Erbe – diese sture Hoffnung auf Dialog, auf Versöhnung, auf Geschwisterlichkeit – in uns weiterwachsen. Wie Unkraut, das durch den Asphalt bricht.
- bruder george