Wenn Klänge Geschichten weben: Die KAPUZINADE im Kloster Wesemlin
Drei Mitbrüder der Klostergemeinschaft sassen vorn, liessen Musik erklingen, während ihre Finger über drei verschiedene Instrumente tanzten und einer Kapuzinergeschichten zum Leben erweckte. Bruder Raphael schuf die Kompositionen. Durch die Hinzunahme der Bratsche zu Geige und Flöte erhielten die Stücke eine farbenprächtige Klangfülle.
Bruder Raphael Grolimund schlüpfte in die Rolle des Erzählers und brachte mit seiner einnehmenden Stimme die Kapuzinergeschichten aus längst vergangenen Zeiten zum Leben. Mal humorvoll, mal nachdenklich strickte er ein buntes Kaleidoskop aus Anekdoten, die einst nur hinter Klostermauern kursierten. Humorvolle interne Geschichten der Kapuzinerbrüder, die sonst nur intern erzählt wurden.
Das Publikum lauschte gebannt den humorvollen Erzählungen, die von Bruder Raphaels eigens komponierten Melodien stimmungsvoll untermalt wurden. Die Klänge von Flöte, Violine und Viola woben einen farbenprächtigen musikalischen Teppich. Während manche Zuhörer schmunzelnd lachten, warfen andere amüsiert-verwunderte Blicke, und wieder andere strahlten sichtlich erfreut.
Die Geschichten entsprangen den Klöstern Luzern, Solothurn und Appenzell und zeichneten ein lebendiges Bild des Kapuzinerlebens früherer Tage. Obwohl die Brüder in diesen Geschichten, mit Ausnahme des Erzählers, nicht mehr unter uns weilen, erstrahlen ihre Geschichten in neuem Glanz und verbreiten Fröhlichkeit in den Seelen all jener, die ihnen lauschen. Ein lebendiges Vermächtnis, das die Herzen der Menschen berührt und bereichert. Einst in den Herzen der Brüder verwurzelt, schlagen diese Geschichten nun Wellen der Freude und Heiterkeit in jenen, die mit dem Kloster verbunden sind oder mehr über dieses faszinierende Erbe erfahren möchten.
Eine der rührendsten Anekdoten handelte von einem Bruder, der überall Notizen hinterliess mit den Worten "Dies muss hier bleiben, dies soll hier bleiben" - eine Geschichte, die sich vor den Augen der Gäste entfaltete und für herzhafte Heiterkeit sorgte.
Hier habt ihr die Möglichkeit zu lesen.
Dieser Kessel bleibt hier“
(Diese Geschichte spielt sich im Kapuzinerkloster Solothurn ab.)
Br. Gabriel besorgt für die Brüder-Gemeinschaft die Wäsche. Leider muss er immer wieder erleben, dass in der Waschküche ein Zuber oder ein Kessel fehlt. Er heftet jeweils eine „Vermisst-Meldung“ ans Anschlagbrett. Manchmal hat er Erfolg, und die entwendeten Sachen finden den Weg in die Waschküche zurück. Aber nicht immer. Nun geht Br. Gabriel dazu über, die Gegenstände einzeln zu beschriften. Zum Beispiel steht da ein großer weißer Plastikkessel. Er bekommt die Anschrift „Dieser Kessel bleibt hier“. Einfach „hier“. Gabriel meint natürlich „hier, in der Waschküche“. Das ist doch klar!
Eines Tages ist die Anschrift zur Ecke gedreht, von vorne nicht sichtbar. Und schon ist der Kessel weg. Jetzt steht er oben im Flur. Für jedermann sichtbar angeschrieben: „Dieser Kessel bleibt hier“. Also bleibt er im zweiten Stock. Wie lange? Der Zufall will es, dass die Anschrift wieder mal zur Wand schaut. Von vorne nicht sichtbar. Jemand nimmt den Kessel zuhanden. In der Folge gelangt er über verschiedene Stationen in den Garten hinaus. Dort steht er jetzt auf einer hohen Mauer und zeigt sich strahlend weiß der Umgebung. Er hat es weit gebracht. Unübersehbar ist seine Anschrift „Dieser Kessel bleibt hier“. Er dient dem einzigen Zweck, hier oben zu stehen und zu verkünden: „Hier bin ich, hier bleibe ich.“ Er steht schon so lange dort, sodass alle meinen, er gehöre seit eh und je zur Ausstattung des Gartens. Hoch droben platziert schaut er stolz auf alles andere herunter. Seine ursprüngliche Bestimmung hat er vergessen.
Ich wende die Geschichte des Kessels auf mich selber an. Wer bin ich? Wie verhält es sich mit meiner Anschrift? Ja, ich trage eine Anschrift, die ich nicht selber angebracht habe. Sie wird mit allem, was die Umgebung von mir hält, ergänzt.
Der Kessel ist ein toter Gegenstand und erlebt sein Los rein passiv. Da besteht zu mir ein Unterschied. Ich kann selber mitreden und meine Anschrift mitbestimmen. Aber ich kann nicht verhindern, dass mein Name und Ruf weiterhin von außen mitbestimmt wird.
In welche Ecke werde ich gestellt? Ich unterliege dem willkürlichen Urteil anderer. Was lasse ich mit mir geschehen? Was nehme ich selber in die Hand?
Am Ende des Lebens bin ich möglicherweise nicht mehr zur Selbstbestimmung fähig. Ich kann nur hoffen, dass meine Umgebung es gut mit mir meint. Als gläubiger Mensch hoffe ich, dass ich mich der Güte überlassen kann, die mich am Anfang angeschrieben hat.
bruder george
Nach diesem gelungenen Auftakt laden die Kapuziner am 20. Oktober um 16 Uhr zur nächsten Kapuzinade in das Refektorium des Klosters Wesemlin ein. Mit der gewonnenen Erfahrung hoffen sie auf eine Saalbesetzung voller interessierter und aufmerksamer Zuhörerinnen und Zuhörer.